Capo d`Acqua
Gut 950 Kilometer trennen die Redaktion und die kleine Kommune in den Abruzzen. Hier treffen wir nach eigener Anfahrt auf Franz Pramendorfer, seine Frau Ursula, deren Sohn – Franz – und die weiteren Gäste Roland, Petra und André. Capo d`Acqua gehört zur Gemeinde Capestrano, einem mittelalterlichen Ort mit Burganlage, an den gegenüber liegenden Berghang geklebt und von einem Erdbeben vor 4 Jahren immer noch gezeichnet. Einige Häuser an der Hauptpiazza inklusive der Kirche sind nach wie vor einsturzgefährdet. Die seinerzeit von Berlusconi vollmundig versprochenen Gelder zur Wiederherstellung des Ortes kamen nie an. Das nördlich gelegene Rom ist nur 140 Kilometer entfernt, aber Geldströme oder Rinnsale Richtung Süden versickern rasch in unbekannten Taschen.
Der Lago Capo d`Acqua mit den traumhaften Resten zweier mittelalterlichen Mühlenanlagen ist doppelt gesichert, was das Tauchen dort betrifft. Einmal liegt er im Nationalpark Gran Sasso e Monti della Laga mit entsprechender naturschutzausgerichteter Reglementierung und er ist außerdem in umzäunten Privatbesitz. Einfach hineinspringen geht nicht. Kostenpflichtige Genehmigungen müssen langfristig vorab beantragt werden. Gruppen ab 10 Personen werden für bestimmte Zeitfenster eingetragen, das nur an Wochenenden.
Üblicherweise ist für die angemeldeten Gäste jeweils nur ein Tauchgang möglich, unterwegs im Rahmen der Foto- und Filmreise „Unbekanntes Italien“ von Atlantis Qualidive kommt man in den Genuss von zwei Unterwasserexkursionen.
Um die Fotografen in unserem Team zu berücksichtigen, können wir sogar vor den weiteren italienischen Gästen ins Wasser.
Nach dem Einstieg zieht man gemächlich durch das Flachwasser mit dichtem Pflanzenbewuchs und Schleimalgenschichten zum plötzlich glasklaren Ruinenbereich des Sees. Da stockt schon der Atem, denn so schön und zauberhaft war das Unterwasserambiente nicht erwartet worden. Es wird ja immer viel erzählt und idealisiert. Im aktuellen Fall wurde eher untertrieben. Eine phantastische Fotokulisse wartet auf die Kamera und das Model.
Die Taucher unserer Gruppe haben sich rasch verteilt, so dass die Fotomotive störungsfrei inszeniert werden können. Ein weiteres Plus hier mit Franz Pramendorfer abzutauchen ist das unabhängige agieren unter Wasser. Die Seebesitzer verzichten darauf, einen sonst üblichen Guide mitzuschicken, der nur eine „Stadtführung“ gemacht hätte. Unbekannte Gäste kommen daran nicht vorbei, für UW-Fotografen eine eher nicht erstrebenswerte Situation.
Die Ruinenkulisse versank 1960 in dem als Trinkwasserreserve der Gemeinde gefluteten Becken, gespeist aus Grundwasserquellen. Die Arbeiten hierfür hatten Mitte der 50er Jahre begonnen. Nach dem großen Blackout 2006, bei dem in Italien in weiten Teilen der Strom ausfiel, speist das vom See abfließende Wasser ein kleines Kraftwerk. Von hier wird die nähere Umgebung mit Strom versorgt.
Im Lago Capo d`Acqua zu tauchen, hat ein großes Erlebnispotential, auch für jene, die ohne Kamera unterwegs sind. Von Bögen und Brücken muss man sich fern halten, sie sind insgesamt labil, wie das Erdbeben von 2009 zeigte. Dabei stürzten einige malerische Gebäudefragmente ein. Das Durchtauchen ist deshalb in den Reglements deutlich untersagt. Es könnte akut etwas einstürzen oder die eingefangene Atemluft schafft in Hohlräumen ein kritisches Potential, Mauerwerk zu destabilisieren.
Aus dem Wasser ragen die Reste einer Farbenmanufaktur, die ebenfalls mittelalterlichen Ursprungs sind. Man muss von dieser hoch aufragenden Mauer einen ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten.
Im hinteren Teil des maximal 9 Meter tiefen Sees, der im Mai frische 11°C hat aber auch den Rest des Jahres nicht wärmer wird, steht aus neuerer Zeit eine etwa 150 Zentimeter große Statue des Apostels Paulus. Üppiger Bewuchs bedeckt an vielen Stellen den Seeboden und mehr als mannshohe Wände schilfähnlicher Pflanzen reizen als Fotomotiv.
Wenigstens zwei Tauchgänge sollten möglich sein, um in Ruhe den größten Teil des Sees zu erkunden.
Den Ein-und Ausstieg erleichtert eine kleine Plattform mit seitlicher Rampe und Geländer.
Für das Aufrödeln und die Picknick - Pause zwischen den Tauchgängen findet man in der weitläufigen Uferzone eine Reihe von Tischen mit Bänken, teilweise sogar wind- und wettergeschützt unmittelbar am kleinen Holzhaus der Basis. Für Kids sind Spielgeräte aufgebaut und nasse Tauchausrüstung wird an Trockenstangen aufgehängt.
Seit 2004 hat die Tauchschule ATLANTIDE - www.atlantidesub.com - den See gepachtet und wickelt exklusiv den Betrieb ab. Zur Kommunikation mit Dante, dem Chef des Unternehmens, sind Italienischkenntnisse vorauszusetzen. Ein Tauchgang kostet etwa € 20,-.
Hier endet zunächst das „öffentliche“ Reiseprogramm, denn einige weitere Tauch- und Scubingspots sind nur im Rahmen der Reise mit Atlantis Qualidive zu besuchen.
Die Quellen des Sees sind der Ursprung des kleinen Flusses Tireno mit seinen Nebenarmen –
Scubing im Tireno und Amazonastour
Für das Tauchen oder Scuben ist hier die Franz Pramendorfer erteilte Ausnahmegenehmigung nötig, da sich die Flüsschen im Nationalpark Gran Sasso e Monti della Laga befinden. Im Gegensatz zu Gewohnheiten im deutschsprachigen Raum ist die Polizei in Italien rasch auf dem Plan und deutlich ungemütlicher. Sprachprobleme zählen da nicht, besser das Blaulicht bleibt aus.
Die erste Scubingtour im Tireno ist aufgrund der Fließgeschwindigkeit eher etwas flotter. Das Ufer ist über Wasser dicht bewachsen, Bäume und Buschwerk rahmen den Flusslauf ein. Im dicken Halbtrockenen – Wassertemperatur auch hier 11°C – und mit ABC-Ausrüstung lassen wir uns treiben. Schwimmende Inseln bedecken immer wieder Teile der Wasserfläche, wechselnde Formen von Wasserpflanzen bilden auf dem Kies- und Sandgrund weite Flächen in unterschiedlichen Grüntönen. Hier und da liegt ein Baum im Wasser, verengen Wurzeln und Äste den Schnorchlern den Weg. Verzaubernde Lichtspiele tanzen durch die nur von wenigen zuvor schon gesehene Welt in diesem kleinen Abschnitt des Tireno. Die Sichtweite liegt bei gut 10 Metern, die Tiefe von geschätzt 3 Meter bis etwa 50 Zentimeter. Knapp 70 Minuten dauert das Treiben bis zum Ausstieg. Dort wartet Ursula mit dem grasgrünen Bus von Atlantis Eberschwang, mit an Bord die Handtücher und trockene Kleidung der Scubinggruppe. Und natürlich das reichhaltige Picknick im Italienstyle: Salami, Mortadella, Schinken, verschiedene Käsesorten, Oliven, Peperoni, Tomaten, Melone und diverse Brotsorten. Auch das hat Ursula auf den Punkt organisiert und für alle vorbereitet. Im Zusammenspiel mit den ebenso feinen wie üppigen Abendmenüs in natürlich auch speziell ausgesuchten Restaurants, kann der Body schon nach einer Woche mit einer mahnenden numerischen Veränderung auf der Waage reagieren.
Nach der Mittagspause steht das Highlight des Tages an, die Amazonastour. Bereits der Quell- und Einstiegsbereich in den „namenlosen“ Nebenarm des Tireno ist von tropischer Schönheit. Zwischen den prächtigen Bewuchszonen leuchten türkisfarbene Flächen aus dem glasklaren Wasser und abgetaucht sehen wir dann dort die kräftig brodelnden Quellen, die den Sand wie zähen Teig aufwerfen. Allein dieses Schauspiel im glitzernden Licht der Nachmittagssonne macht richtig Laune und nur nach einer ganzen Weile lösen wir uns Startpunkt der Tour. Man treibt gemächlicher als im Tireno, der Pflanzenbewuchs reicht oft bis an die Oberfläche. Es macht Spaß, sich wie ein Teil der kleinen Flüsschen zu fühlen und manchmal fällt es schwer zu entscheiden, wohin man schauen soll, mit dem Kopf unter Wasser oder über Wasser. Die Landschaften sind in der Luft- und Wasserwelt gleichermaßen schön. Die Tour trägt ihren Amazonas – Namen völlig zu recht. Hier flattern lange, schmale Finger im sanften Strom, dort winken farnartige Gewächse. Dann versperren quer über dem Wasserlauf liegende Bäume den Weg. Hier genügt ein kräftiger Schwung, die Hürde zu überwinden, etwas weiter muss man sich auf dem Bauch liegend darüber ziehen. Insgesamt 5 solcher kleinen Hindernisse sind der sportliche Kick der Tour. Wer mit größerem Kameraequipment unterwegs ist, montiert die Blitze mit ihren Armen besser vorher ab. Dann bleibt man auch im Verlauf der Tour nicht in einem Pflanzendickicht hängen. Motive gibt es genug, die meisten visiert man aber blind an, denn es macht wenig Sinn zu versuchen, abgetaucht einen Blick in den Sucher zu werfen. Man ist ständig in Bewegung und es ist allemal besser auf die Motive schnell und routiniert zu reagieren.
Nach 65 Minuten mündet der Amazonasnebenarm in den Tireno, der hier bis zu 4 Meter Tiefe erreicht. Die Unterwasserlandschaft ist von der Vegetation her jetzt nicht mehr so spektakulär, schwungvoll glatt gewaschene Felsen gestalten unter dem Ufer den Rand des Gewässers. Nach weiteren 10 Minuten ist der Ausstieg erreicht. Nach einem kurzen Fußmarsch über eine mit Wildgräsern hoch bewachsene Wiese, hinauf zum befahrbaren Uferpfad, bringt uns zum bereits wartenden Bus von Atlantis Qualidve.
Ein zweites Mal haben wir am nächsten Vormittag die Chance für die Amazonastour. Franz hatte sie bis dato noch nicht im Vormittagslicht gemacht, jetzt wissen wir, dass beide Tageszeiten optimale Stimmungen bieten.
Nach dem Mittagspicknick geht es weiter nach Posta Fibreno.